Die Nacht der Tausend Fragen

Die Nacht der Tausend Fragen (The night of the thousand questions), 1000 questions

Lecture and projection on city church tower, question catalogue in collaboration with students of University of the Arts Bern, CH (Y Institut Toolbox), Das Zeitfestival in Biel
Le festival du temps à Bienne, 27. 10. 2018

Eine Projektion von 1000 Fragen von KünstlerInnen, Mu- sikerInnen, AutorInnen und Desi- gnerInnen aus dem Y Seminar von Tine Melzer «Fragezeichen: Was ist eine gute Frage?» der Hochschule der Künste Bern (HKB), 2016 und 2018. Herzlichen Dank an das Y Institut: Martin Christ, Andi Schoon & Thomas Strässle. Fragen von Géraldine Bach, Romana Del Negro, Tomasz Domanski, Maurice Donnet-Monay, Corinne Futter- lieb, Régine Gapany, Yvonne Gempeler, Tobias Herzog, Julia Hoentzsch, Géraldine Honauer, Belinda Kernen, Meret Knobel, Marilyne Kölbl, Marc Lauber, Sebastian Lötscher, Rosemary Niehaus, Rebecca Noser.

'Es gibt viele Fragen, und manche sind ausserordentlich schön. Hatte Noah Fische auf seiner Arche? Für wen mache ich morgens mein Bett? Reicht die Zeit, um die guten Bücher noch zu lesen? Wozu Hunde? Solche Fragen können sich jedem stellen und die Antworten sind Nebensache. Es gibt viele Fragen, die überhaupt keine Antworten erwarten. Persönliche Fragen etwa, wenn sie rhetorisch sind. Oder jene, die schwierig sind, weil die Worte darin zu gross und damit leer geworden sind. Was ist der Sinn des Lebens? Die Tatsache, dass diese interrogative Zumutung nur in Frageform existiert, zeigt, dass sie nur individuell, nicht generell beantwortet werden soll.

Mit jeder Frage wird man – wie Aaron Bodenheimer bemerkt hat – hochgenommen. Fragen enden immer oben: dorthin wird man hochgehoben. Die Satzmelodie zeigt es schon, stimmt’s? Wie ein unter den Füssen weggezogener Teppich wirbelt die Frage den Befragten nach oben, wo er hängenbleibt und sich hastig um eine Antwort bemüht. Fragen erzeugen Schulden: wir bleiben eine Antwort schuldig, wenn wir sie zu geben ausserstande sind.

Fragende sind meist die Mächtigen. Auch Kinder haben die Macht, die Grossen in Verlegenheit zu bringen. Das erwachsene Wissen verhält sich zum fragenden Kind wie ein Kilo Salz zum Meer. ‚Richtige’ Antworten sind wie ein Sack voller Geld in der falschen Währung für einen Bettler, der jetzt sofort ein paar Münzen braucht.
Nur in der Fernsehquizshow darf man sagen, dass ‚B’ die richtige Antwort ist. Im Rest des Lebens sind Fragen selten eindeutig oder vollkommen richtig zu beantworten.
Wissensfragen sind langweilig, wenn die Antworten schon bekannt sind. Welche Städte liegen unter dem Meeresspiegel? Hingegen: Wie viele werden es in 30 Jahren sein?

In Fragen kommen Dinge als Worte in einem Satz zusammen, die sich sonst nicht leicht treffen. Wir suchen die Verbindungen zwischen ihnen, und hoffen, sie in der Antwort zeigen zu können. Können alle Tiere singen? Fragen sind oft Aussagen in Frageform, und ihre herausfordernde Satzmelodie geben ihnen Autorität und Macht über den Befragten.'

Tine Melzer, Die Nacht der 1000 Fragen Biel 2018